Die Ideengeschichte der Kapitalgesellschaft

Unternehmensverkauf, gerade im Small- und Mid-Cap-Segment, bedeutet in der Regel den Verkauf einer GmbH oder einer AG, also einer “Gesellschaft mit beschränkter Haftung” oder einer “Aktiengesellschaft”. Da diese Organisationsformen von Wirtschaftsinteressen heute fest etabliert sind, geht leicht verloren, dass diese dennoch eine der größten Innovationen der Wirtschaftsgeschichte darstellen.

Bevor wir also die Dynamiken von Unternehmenstransaktionen beleuchten, lohnt sich ein kurzer Exkurs in die Geschichte, um zu verstehen, wie Kapitalgesellschaften zur dominanten Organisationsform für Unternehmen wurden. Dabei waren vor allem die strukturellen Vorteile der Kapitalgesellschaft zur Finanzierung gegenüber dem traditionellen Kredit ausschlaggebend.

In einem Kreditgeschäft leiht sich der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber eine Summe Geld, die er bis zum Ende der vereinbarten Kreditlaufzeit vollständig und zuzüglich Zinsen zurückzahlen muss. Kann der Schuldner nicht zahlen, kann der Kreditgeber die Schulden durch den Einzug anderer Vermögensmittel des Schuldners tilgen. Zahlt der Schuldner den Kredit nicht zurück und verfügt nicht über ausreichende andere Mittel, um den Kredit zu tilgen, fällt der Kredit aus.

Der potentielle Gewinn des Kreditgebers ist dabei einzig der Zinssatz auf den geliehenen Betrag. Der potentielle Verlust dagegen beträgt die gesamte Kreditsumme, ein ungleich höherer Betrag. Entsprechend bemühen sich traditionelle Kreditgeber in der Regel, nur Kredite an Kreditnehmer und Projekte zu vergeben, die ihnen den Kredit mit hoher Wahrscheinlichkeit und im vereinbarten Zeitraum zurückzahlen können. Der Kredit taugt daher kaum zur Finanzierung von Unternehmungen, die zwar hochriskant sind, aber im Erfolgsfall einen besonders hohen Gewinn realisieren.

Die niederländischen und britischen Handelsexpeditionen der späten Renaissance verbanden nun zum ersten Mal in der Geschichte Europas genau diese Eigenschaften: Durch den Import von seltenen Gewürzen aus Asien konnten risikotolerante Unternehmer bis dato ungekannte Renditen erzielen – vorausgesetzt, ihre Schiffe und Importgüter überstanden die Passagen. Gerade zu Beginn der Expeditionen war diese Rückkehr allerdings alles andere als sicher: mangelnde Erfahrung der Expediteure und die unzureichende Ausstattung der Schiffe machten die ersten Handelsexkursionen so gefährlich und verlustreich, dass nur besonders risikoaffine Unternehmer bereit waren, die Reise anzutreten.

Um ihre Reisen überhaupt antreten zu können, mussten die Expediteure erst einmal signifikant investieren: Die Kosten für Schiffe, Mannschaft und Verpflegung summierten sich schnell zu einem Finanzbedarf, der nur durch die Aufnahme externen Kapitals gedeckt werden konnte. Aufgrund des hohen Risikos eines Totalausfalls waren ihnen indes traditionelle Wege der (Kredit-) Finanzierung verschlossen – was also tun?

Die Lösung fanden sie schließlich in einer Partnerschaft, die sich bis heute bewährt hat: Die Geldgeber brachten das Kapital für die Expedition ein, die Expediteure ihre Arbeitszeit und Risikobereitschaft. Im Gegenzug erhielten beide Seiten dafür einen vereinbarten Anteil des Gewinns aus einer erfolgreichen Expedition. Scheiterte die Expedition, verloren analog ebenfalls beide Parteien: Die Geldgeber ihr eingesetztes Kapital, die Expediteure häufig ihr Leben. Für jede neue Expedition wurde eine eigene Kapitalgesellschaft gegründet, um das Risiko auf das eine Projekt zu beschränken.

Aus diesem Kern der proportionalen Verteilung von Gewinnen wurde die Kapitalgesellschaft seitdem entlang neuer Anforderungen stetig weiterentwickelt. Moderne Unternehmen sind anders als die ersten Handelsexpeditionen in der Regel darauf ausgerichtet, über eine möglichst lange Zeit regelmäßige Gewinne zu produzieren und an ihre Anteilseigner auszuschütten. Gleichzeitig ermöglichte die freie Handelbarkeit von Gesellschaftsanteilen eine zunehmend lückenlose Preisfindung einzelner Anteile – und bereitete damit das Fundament für den professionellen Handel mit Unternehmensanteilen, wie er heute täglich an Börsen und zwischen Unternehmen stattfindet.

Auszug aus dem Buch: “Wer kauft mein Unternehmen und warum?”