Die Relevanz der Bilanz variiert stark mit dem Geschäftsmodell. Für die Bewertung einer Spedition, deren Wert maßgeblich von ihren Maschinen und deren Einsatzbereitschaft abhängt, spielen Wert und Zustand ihrer Assets eine größere Rolle als bei sog. “asset-light”-Geschäftsmodellen, wie sie gerade im Softwarebereich häufig vorkommen.
Unsere Erfahrung im Bereich von stark durch Assets geprägten Unternehmen ist gering – daher gehen wir hier nicht in die Tiefe und betrachten stattdessen die Rolle von bilanziellen Rückstellungen sowie Barmitteln und Betriebskapital in den Verhandlungen zum Unternehmensverkauf. Ihre Bewertung ist häufig kontrovers und damit für erfolgreiche Verhandlungen von herausragender Bedeutung.
Bilanzielle Rückstellungen am Beispiel von Pensionsrückstellungen
Pensionsansprüche im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge haben insbesondere in Deutschland eine lange Tradition und sind für viele Arbeitnehmer der Großteil ihrer Altersvorsorge. In kleineren Betrieben ist die betriebliche Altersvorsorge seltener anzutreffen, aber dennoch auch dort ein häufig verwendetes Mittel zur langfristigen Mitarbeiterbindung.
Pensionsrückstellungen sind im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung (“GuV”) als Lohn- und Gehaltsbestandteile klassifiziert und finden sich im Posten “soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung”. Diese Lohnbestandsteile werden während des Angestelltenverhältnisses monatlich einbehalten und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgezahlt.
Die zukünftige Zahlungsverpflichtung wird hiernach in den Passiva-Teil der Bilanz unter „Rückstellungen für Pensionen und andere Verpflichtungen“ (§ 266 Abs. 3 B 1 HGB) eingestellt. Die Zahlungsverpflichtungen werden damit zur Verbindlichkeit des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern. Die Höhe der Pensionsrückstellungen in der Bilanz muss dabei dem Barwert der zukünftigen Pensionsansprüche entsprechen. Somit ergeben sich auch die monatlich in der GuV zu buchenden Aufwendungen und die Höhe der bilanziellen Rückstellungen.
Wird das Unternehmen verkauft, stellen die Pensionsrückstellungen in der Bilanz häufig eine hohe Hürde für eine Einigung zwischen Käufer und Verkäufer dar. Meist wollen die Käufer die Pensionsverpflichtungen gar nicht oder nur im Tausch gegen eine Verringerung der Unternehmensbewertung übernehmen. Die Verkäuferseite dagegen ist häufig nicht gewillt, den Kaufpreis mit dem Barwert der zukünftigen Pensionsansprüche zu verrechnen, weil sie in diesem Szenario einen deutlich niedrigeren Verkaufserlös realisieren würde. Als Resultat dieses fundamentalen Interessenkonflikts scheitern Übernahmeverhandlungen nicht selten an unüberbrückbaren Differenzen über die richtige Behandlung der Pensionsansprüche des Unternehmens.
Für Unternehmer empfiehlt es sich daher gerade mit Blick auf einen zukünftigen Unternehmensverkauf, die Struktur und Behandlung der Pensionsansprüche in enger Zusammenarbeit mit Steuerberatern und der Finanzfunktion des Unternehmens aktiv zu planen. Aufgrund der steuerlichen und finanzbuchhalterischen Komplexität dieser Planungen möchten wir hier nur beispielhaft einige Werkzeuge benennen, mit denen verkaufende Gesellschafter die Pensionsansprüche des Unternehmens für einen Verkauf optimieren können:
Änderung der Pensionszusage (nur relevant für Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer)
Teilverzicht (nur relevant für Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer)
Auslagerung (bspw. Pensionsfond)
Abfindung / Einmalzahlung
Asset Deal (Verbleib der Pensionsansprüche in der Gesellschaft)
Eine ausführlichere Behandlung von Pensionsrückstellungen beim Unternehmensverkauf finden Sie hier.
Barmittel und Betriebskapital
Bei der Bilanzdurchsicht gibt es zwischen Verkäufer und Käufer regelmäßig unterschiedliche Auffassungen über Bewertung und Begründung der aufgeführten Posten. Ein besonderer Stein des Anstoßes ist hierbei häufig die Barmittel-Position. Der verkaufende Gesellschafter möchte Klarheit über die Verwendung des Barvermögens in der Bilanz, während der Käufer wissen muss, wie viel Kapital zum geordneten Betrieb des Unternehmens tatsächlich notwendig ist.
Barmittel auf der Bilanz können aus drei Quellen stammen:
Profite aus vergangenen Jahren, die nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet wurden
Investitionen in das Unternehmen, die nicht verwendet wurden
Betriebskapital
Betriebskapital sind die Barmittel, die im Laufe des Jahres für die Erzielung des Umsatzes benötigt werden. Ein Unternehmen, das Stühle baut und verkauft, nutzt etwa Betriebskapital, um das Holz zu kaufen, aus dem es seine Stühle baut.
In der Unternehmensbewertung wird in der Regel ein Verkauf “ohne Schulden” bzw. ”ohne Barmittel” angestrebt, um die Transaktionsstruktur einfach zu halten. Es muss also einvernehmlich geklärt werden, welcher Anteil der Barmittel in der Bilanz als Betriebsvermögen im Unternehmen bleiben soll. Alle Barmittel, die nicht dem Betriebskapital zugerechnet werden, fallen in der Transaktion als Profitabilität an den Verkäufer.
Der Verkäufer hat folglich ein Interesse daran, das Unternehmen als reich an überschüssigen, nicht dem Betriebskapital zuzurechnenden Barmitteln darzustellen, da er so in der Transaktion einen größeren Anteil der bilanziellen Barmittel erhält. Die Käuferseite dagegen möchte einen möglichst großen Anteil der Barmittel im Unternehmen halten.
Zur Erhöhung des Barmittelbestands in der Bilanz können Unternehmen etwa ausstehende Forderungen eintreiben, Vorräte verringern oder die Zahlung von Verbindlichkeiten zurückstellen – ihnen stehen also diverse bilanzbuchhalterische und operative Kniffe zur Verfügung, um die Bilanz im Sinne der gewünschten Erzählung zu optimieren.
Da Unternehmensbewertungen typischerweise “ohne Cash und ohne Schulden” durchgeführt werden und Käufer wie Verkäufer in der Klassifikation entgegengesetzte Ziele verfolgen, ist es also für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen unerlässlich, verbindliche Arbeitsdefinitionen beider Teile der Bilanz zu erarbeiten.