In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die rechtliche Dimension von Unternehmensnachfolgen und Unternehmensübergaben. Wir widmen uns rechtlichen Fragestellungen, die bei Softwareunternehmen besonders wichtig sind. Ziel ist es, dass Unternehmer und potenzielle neue Eigentümer ein gemeinsames Verständnis für die wesentlichen Fragen entwickeln.
Zwischen Verkäufer und Erwerber besteht, auch nach langen Gesprächen und Analysen, ein Informationsgefälle. Unternehmer haben Kunden, Partner und Produkt über lange Jahre aufgebaut und kennengelernt. Über die Zeit bildet sich Vertrauen zwischen dem Erwerber und dem Verkäufer und der Erwerber bemüht sich ein gutes Verständnis für Produkt und Markt zu entwickeln. Die Informationsasymmetrie aber bleibt.
Für den Erwerber bestehe das Ziel darin, die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass er von ihm zum Zeitpunkt des Kaufs unbekannten Risiken überrascht wird und später für ihre Beseitigung aufkommen muss. Zu diesem Zweck fordert er von dem Verkäufer neben allen relevanten Informationen regelmäßig auch bestimmte Gewährleistungen zum Zustand des Unternehmens ein. Stellen sich diese Gewährleistungen nach Verkaufsabschluss als unwahr heraus, hat der Käufer durch sie eine vertragliche Grundlage, um den Veräußerer für die entstandenen Schäden in die Pflicht zu nehmen.
Da der Kaufpreis sich unter anderem aus den für die Zukunft erwarteten Ergebnisse des Unternehmens ergibt, will der Käufer auch solche Risiken kontrollieren, die sich erst nach dem Abschluss des Kaufs realisieren könnten, aber ein Ergebnis der aktuellen Geschäftsführung und Produktgestaltung sind.
Der Verkäufer dagegen will nach Abschluss des Verkaufs möglichst keine oder eher geringe weitergehende Verpflichtungen oder Risiken aus seiner früheren Eigentümerschaft zu tragen. Dies schließt die Gefahr von Rückerstattungen an die neuen Eigentümer ein.
In anderen Worten: Der Käufer strebt vom Veräußerer Gewährleistungen an, die dieser eigentlich nicht geben möchte. Aus diesem Grund sind Gewährleistungen und ihre Bedingungen in der Praxis häufig ein von beiden Parteien engagiert verhandelter Teil der Gespräche, der im Extremfall zur Verzögerung oder sogar zum Scheitern der Transaktion führen kann.
Im Folgenden stellen wir die zwei gängigsten Formen dieser Gewährleistungen vor und illustrieren ihre Funktionsweise durch die Anwendung auf Nutzungsrechte an Fremdsoftware, wie sie in der Regel bei Software-Unternehmen relevant werden.
1. Garantien (engl. “Representations and Warranties”)
Für Unternehmenskäufe ist das im BGB geregelte Gewährleistungsrecht in der Regel nicht ausreichend (zur näheren Erklärung empfehlen wir Higard, 2016). Die Vertragsparteien schließen es daher regelmäßig aus und definieren für die Transaktion mit Garantien maßgeschneiderte Gewährleistungsrechte und Rechtsfolgen für die Garantieverletzung.
Mit Garantien “gewährleistet [der Verkäufer] gegenüber dem Käufer, dass das Unternehmen und seine Verhältnisse sich zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs im zwischen den Parteien vereinbarten Zustand befindet. Für negative Abweichungen haftet der Verkäufer im Rahmen der vertraglichen Absprachen” (Haberstock, 2008). Eine beispielhafte Garantieformulierung aus einer unserer Transaktionen finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Anwendung I: Nutzungsrechte an verwendeten Softwarekomponenten
In der Praxis garantiert der Verkäufer so etwa, dass das Unternehmen über alle notwendigen Lizenzen zur Nutzung der Software von Drittanbietern verfügt. Für Softwareprodukte ist das besonders relevant, da fast jedes Produkt vielfältige Frameworks, Module und Open-Source Komponenten einsetzt für die die passenden Lizenzen (soweit nötig) vorliegen müssen.
Für den Fall, dass sich diese Garantie nach dem Vollzug des Eigentumsübergangs auf den Erwerber als unwahr herausstellt, werden im Kaufvertrag verbindliche Haftungsmodalitäten formuliert. Unter anderem hat sich in diesem Zusammenhang die Einräumung einer Frist etabliert, in welcher dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt wird, den vertraglich garantierten Zustand herzustellen.
Im Fall von fehlenden Lizenzrechten wäre der Veräußerer durch seine Garantie also beispielsweise verpflichtet, in der vereinbarten Frist die nötigen Nutzungsrechte zu erwerben oder die Softwarebasis des Unternehmens so anzupassen, dass sie ohne die Komponenten funktioniert, an denen die Nutzungsrechte fehlen. Ist diese Herstellung nach Ablauf der Frist nicht erfolgt oder unmöglich, ist der Verkäufer im Sinne der vereinbarten Haftungsparameter zu Schadensersatz verpflichtet. Dieser wird in der Praxis häufig durch einen Abschlag auf den Kaufpreis des Unternehmens geleistet.
Aufgrund der Folgen einer solchen Garantieverletzung wird der Verkäufer eine solche Garantie nur dann abgeben, wenn er vorher die praktikablen Schritte unternommen hat, um das Nichteintreten des garantierten Zustandes des Unternehmens abzuwenden.
Im Fall der Nutzungsrechte greifen viele Unternehmen im Vorfeld der Transaktion auf Werkzeuge wie Black Duck Software zurück, um ihre Codebasis auf Lizenzkonformität zu prüfen. Zudem können spezialisierte Berater den Code des Unternehmens einer tieferen Überprüfung unterziehen, um Abhängigkeiten von lizenzbewährter Software aufzudecken und potentielle Risiken zu eliminieren.
2. Freistellungen (engl. “Indemnities”)
“Alle Sachverhalte, die eine Rolle für den Wert (insbesondere die Risiken) eines Unternehmens spielen und deren abschließende Bewertung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht möglich (oder: nicht gewollt) ist, eignen sich nicht für eine Garantie, jedoch für eine Freistellung.” (Hilgard, 2016)
Im Unterschied zu Garantien hat der Käufer bei einer Freistellung keinen (Nach-) Erfüllungsanspruch gegen den Verkäufer. Die Freistellung verpflichtet den Freisteller lediglich zur Schadloshaltung des Empfängers.
In der Regel betreffen Freistellungen die Ansprüche von Drittparteien gegenüber dem Unternehmen. Der Freistellungsanspruch zielt dabei darauf ab, dass der Verpflichtete den Berechtigten “so stellt, wie dieser ohne die Inanspruchnahme durch den Drittgläubiger stehen würde” (BGH, 1984).
Anwendung II: Nutzungsrechte an verwendeten Softwarekomponenten
Nehmen wir zur Illustration der Funktionsweise von Freistellungen an, der Verkäufer hat den Erwerber vom Risiko aus Lizenzverstößen freigestellt. Nun verklagt nach dem Abschluss des Verkaufs ein Anbieter von Drittsoftware das Unternehmen auf Schadensersatz aus verletzten Nutzungsrechten an Softwarekomponenten, die es in seinem Produkt verwendet. Gemäß der Freistellung muss der alte Eigentümer in diesem Fall alle aus der Forderung entstehenden Risiken selbst übernehmen – und so den neuen Eigentümer schadlos halten.
In der Praxis räumt die Freistellung dem Verpflichteten in der Regel die Gelegenheit ein, innerhalb einer angemessenen Frist seiner Freistellungsverpflichtung durch Verhandlungen mit dem Drittgläubiger nachzukommen. Ob er hierbei die Forderungen des Gläubigers durch Zahlung aus seinen eigenen Mitteln erfüllt oder anderweitig abwehrt, ist für den neuen Eigentümer unerheblich.
Gleich der Garantie ist es für den Verkäufer daher vor der Abgabe einer Freistellung sinnvoll, die unterliegenden Risiken zu beseitigen, um sich vor einer zukünftigen Haftung zu schützen.
Zusammenfassung: Die Rationale von Garantien und Freistellungen
Für den Käufer hat der Einsatz von Garantien und Freistellungen zwei klare Vorteile:
Risikoreduzierung: Käufer nutzen Garantien und Freistellungen in Kaufverträgen, um die Haftung für zukünftige Risiken des Unternehmens an ihre Verursacher (d.h. den Verkäufer) zu allokieren und so ihr eigenes Risiko aus der zukünftigen Eigentümerschaft zu reduzieren.
Compliance: Durch den potentiellen hohen Abschlag auf den Kaufpreis, der sich aus ihrer Verletzung ergibt, sind Garantien und Freistellungen ein beliebtes Mittel von Käufern, um sicherzustellen, dass es im Eigeninteresse des Veräußerers ist, alle – aktuellen und zukünftigen – im Unternehmen liegenden Risiken zu identifizieren und nach ihren besten Möglichkeiten zu beseitigen.
Beispiel: Echte Vertragstexte für Garantien zu Softwarelizenzen
Die Gesellschaft verfügt über alle für die Ausübung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft erforderlichen Computerprogramme, Domainnamen,Geschäftsgeheimnisse, Lizenzen und - nach Bestem Wissen des Verkäufers - Urheberrechte, Know-how, Nutzungsrechte und andere gewerblich geschützte Rechte am geistigen Eigentum (nachfolgend "Immaterialgüterrechte").
Sämtliche von der Gesellschaft in Verwendung befindlichen lmmaterialgüterrechte stehen nach Bestem Wissen des Verkäufers entweder im Eigentum derselben und sind frei von Belastungen oder Rechten Dritter oder die Nutzung ist der Gesellschaft aufgrund entsprechender Lizenzverträge gestattet, insbesondere verfügt die Gesellschaft über sämtliche Verwertungs- und Bearbeitungsrechte auch von ihren Geschäftsführern und freien Mitarbeitern, und es besteht zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung keine Streitigkeit mit einem bestehenden oder ehemaligen Geschäftsführer, angestellten Mitarbeiter oder freiem Mitarbeiter, bei der es um eine Beschränkung des vorgenannten Umfangs der Rechte geht.
Die Gesellschaft ist berechtigt, das Computerprogramm und dessen Komponenten auch in Zukunft in gleicher Art uneingeschränkt entgeltlich oder unentgeltlich zu vermarkten, weitezuentwickeln, zu lizenzieren oder in sonstiger Art und Weise zu nutzen, wie die Gesellschaft dies bis zum Abschlusstag tut.
Abseits von aufgeführten Ausnahmen:
sind im Hinblick auf lmmaterialgüterrechte keine Einsprüche, Widersprüche, Löschungsanträge, Nichtigkeitsanträge eingereicht und keine Einspruchs-, Nichtigkeits-, Löschungs- oder Widerrufsverfahren anhängig sowie keine sonstigen Maßnahmen ergriffen, um eine vollständige oder teilweise Vernichtung und/oder Löschung der lmmaterialgüterrechte herbeizuführen, insbesondere bestehen dezeit keine Streitigkeiten um die von der Gesellschaft gem. wie in Anlage registrierten Domains,
unterliegt die Gesellschaft nach Bestem Wissen des Verkäufers keinen Beschränkungen, die sie daran hindern würden, die lmmaterialgüterrechte so zu nutzen, weiterzuentwickeln und zu vertreiben, wie es erforderlich ist, um den Geschäftsbetrieb unverändert weiterzuführen. lnsbesondere hat die Gesellschaft an den lmmaterialgüterrechten und der Software keine Sicherungsrechte (2.8. Verpfändungen, Sicherungsübereignungen etc.) gewährt,
wird nach Bestem Wissen des Verkäufers keines der lmmaterialgüterrechte und/oder die Rechte an der Software von Dritten verletzt, insbesondere verwendet sie nach Bestem Wissen des Verkäufers von Dritten stammende Software im Einklang mit den jeweils dafür geltenden Lizenzbestimmungen; und
wurden von Dritten keine Verfahren wegen Verletzung eines der lmmaterialgüterrechte und/oder wegen Verletzung von Rechten an der Software durch die Gesellschaft angestrengt oder schriftlich angedroht.