Vertrieb von Softwareprodukten - Kompensation und Bonus-Systeme

Softwareprodukte haben den Vorteil, dass jede weitere Einheit des Produkts oft nur marginale Mehrkosten verursacht. In anderen Worten: der Mehrumsatz schlägt sich direkt im Ergebnis wieder. Umso wichtiger ist der Vertrieb und die Strukturierung des Vertriebs für den Erfolg des Unternehmens.

Als “Vertrieb” bezeichnen wir hier diejenigen, die tatsächlich die Verkaufsergebnisse beeinflussen können. Dies variiert von Geschäftsmodell zu Geschäftsmodell. Wenn beispielsweise der Verkaufsprozess “Google Suche” -> “Probeversion herunterladen” -> “Upgrade auf die volle Version” ist, dann sind natürlich andere Metriken anzulegen als bei einem Vertriebsprozess der auf Demo’s und Meetings basiert. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter, die die Rechnungen für das “Upgrade auf die volle Version” schreiben in unserem Sinne keine Vertriebsmitarbeiter - denn ganz offensichtlich fehlt Ihnen der Einfluss auf die Zahl der verkauften Einheiten.

Im folgenden stellen wir die grundsätzliche Mechanik und Komponenten des Vertriebs im Sinne eines Gedankenrahmens vor. Ähnliche Artikel dazu sind: Gedankenmodell für Unternehmensübergaben oder auch Der Deckungsbeitrag (Unit Economics) von Softwareprodukten). Im Anschluss stellen wir einige konkrete Vergütungsmodelle vor, die so oder so ähnlich in unseren Gesellschaften zum Einsatz kommen.

Die Besonderheit der Vergütung im Vertrieb

Die meisten Arbeitsverträge sehen grundsätzlich keine variable Vergütung vor.  Gelegentlich gibt es einen, oftmals vom Geschäftsführer eher subjektiv definierten Bonus am Ende eines gut verlaufenen Geschäftsjahres.

Warum haben also Boni und variable Gehaltskomponenten im Vertrieb eine solche exponierte Rolle?

Der Grund liegt in der nahezu unmittelbaren Beziehung der Vertriebsarbeit mit der Wertschöpfung des Unternehmens. Vertriebsmitarbeiter sind tagtäglich in harter Arbeit mit den Kunden im Dialog. Erfolgreiche Vertriebler treiben den Erfolg der Produkte im Markt und  damit den Umsatz und die Wertschöpfung des Unternehmens direkt voran. Die variable Vergütung ist ein Instrument für Unternehmenslenker diesen Beitrag zu honorieren. 

Dem gegenüber steht in der Regel eine geringere Basisvergütung, so dass nur die Verkäufer, die Kunden, Produkt und Markt verstehen, tatsächlich profitieren. Nicht umsonst zählen erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter häufig zu den bestbezahltesten Mitarbeitern im Unternehmen. Die Verweildauer unerfolgreicher  Vertriebsmitarbeiter ist demnach besonders kurz: Kein Unternehmer möchte einen Vertriebler bezahlen, der keinen Umsatz “reinholt”. Kein Vertriebler möchte mit einem niedrigen Fixgehalt am Ende des Monats nach Hause gehen.

Der inhärente Konflikt variabler Vergütung im Verkaufsprozess

“Der Vertrieb” steht fast naturgemäß in einem zweiseitigen Konflikt. Konflikt ist hier nicht negativ gemeint, sondern eher im Sinne einer gesunden Reibung. 

Der Konflikt läuft auf der einen Seite gegen diejenigen, die im Unternehmen neue Interessenten für das Produkt besorgen. Häufig, das Marketing-Team. Diesen Konflikt klammern wir erst mal aus. 

Auf der einen Seite reibt sich der Vertrieb traditionell mit dem Produkt und “der Entwicklung” - fehlende Funktionen, zu hoher Preis, wenig ansprechendes Design oder “schwer zu erklären” sind die typischen Beschwerden. 

Auf der anderen Seite beschwert sich die Entwicklung, warum das Produkt nicht häufiger verkauft wird oder warum der Vertrieb monatelang ein Feature fordert, was am Ende kaum verwendet wird. 

Der Kern dieser Konfliktlinien ist die Aufteilung von Verantwortung und Kompetenz im Unternehmen: Ein Vertriebler ist nicht gleichzeitig verantwortlich für Entwicklung und die Preissetzung. Produktentscheidungen basieren auf dem Feedback des Vertriebs, werden aber auch von der langfristigen Produkt- und Unternehmensstrategie getrieben.

Dies führt dazu, dass in der Gestaltung von variablen Vergütungssystemen nicht nur der “Umsatz pro Vertriebler” infrage kommt, sondern Anreize und Risiken gezielt abgewogen werden können und sollten.

Anknüpfungspunkte für variable Kompensation im Software-Vertrieb

Als Grundlage für den Bonus sollte eine klar messbare Zahl dienen. Die Messbarkeit ist enorm wichtig, damit Klarheit und Fairness herrscht und Mitarbeiter wissen, wo sie stehen und wie sich der Mehraufwand in die Bonusszahlung übersetzt. Operative Basis dafür ist ein gutes CRM-System, das die Erfassung und Auswertung der Zahlen vereinfacht.

Wir teilen die möglichen Grundlagen für die variable Vergütung in drei thematische Blöcke auf:

Vertrieb_Software

Aktivitäten: 

Ziel ist es, Aktivitäten zu wählen, die zum einen messbar sind, zum anderen tatsächlich in kausalem Zusammenhang mit Umsatzwachstum stehen. Typische Beispiele sind die Anzahl der Vor-Ort Treffen, der vereinbarten und durchgeführten Demos oder in sehr transaktionalen Geschäftsmodellen der Telefonate. Ein Beispiel für schlechte Aktivitätsziele wäre die Zahl der besuchten Weiterbildungen - die Beziehung zum Umsatzwachstum ist vage, die Definition was eine Weiterbildung darstellt ebenfalls.

Der Nachteil dieser Bonusbasis ist, dass ein großer Teil des Risikos beim Unternehmen liegt. Wieviel % der Demo-Teilnehmer kaufen tatsächlich? Wie viele Telefonate benötigt es, bis ein Kunde gewonnen ist. Dem gegenüber steht der Vorteil, dass der Vertriebler große Kontrolle über das Erreichen der Zahlen hat.

Prozessfortschritt:

Eine Vergütung auf Basis des Prozessfortschritts setzt voraus, dass der Vertriebsprozess im Unternehmen gut verstanden und definiert ist. 

Im Vertrieb von Software an Unternehmen ist ein typischer Prozessschritt die erfolgreiche “Qualifizierung von Interessenten”. Hierbei prüft ein (oft juniorer) Vertriebsmitarbeiter zunächst, ob der Interessent tatsächlich das Problem hat, das vom Produkt adressiert wird, er über ein passendes Budget verfügt und die Autorität die Kaufentscheidung zu beeinflussen (siehe auch Win/Loss Analyse - Die Qualifizierung - Eine Innovation von IBM). 

Ist die Qualifizierung erfolgt, wird der Interessent an den Vertriebsmitarbeiter weitergegeben, der den tatsächlichen Verkauf durchführt. Die Zahl der “qualifizierten Interessenten” dient hier als Basis der Boni. 

Vorteil dieser Vergütungsbasis ist, dass im Vergleich zu einem Bonus auf Basis von Aktivitäten die “Nähe zum Umsatz” höher ist. Sprich, ein qualifizierter Interessent wird wahrscheinlicher zum Käufer als ein anonymer Teilnehmer eine Demo. Nachteil ist, dass die Umsetzung komplexer ist - die Definition was “qualifiziert” in der Praxis bedeutet muss sorgsam sein, ebenso der Prozess der Übergabe und die Erfolgsmessung.

Umsatz

Am nächsten an der tatsächlichen Wertschöpfung für das Unternehmer ist der Umsatz, den jeder Vertriebler beiträgt. Wesentlicher Nachteil ist, dass einige Elemente, die für den Verkauf entscheidend sind, nicht in der Kontrolle des individuellen Vertrieblers liegen. 

Diese Tatsache kann sich sowohl zum Vorteil des Vertrieblers ausdrücken, wenn beispielsweise eine großer Kunde bereits im Vorfeld seine Entscheidung für einen großen Kauf getroffen hat und der Vertriebler nur der Empfänger dieser Nachricht ist. Zum anderen kann auch tiefe, lange Arbeit mit dem Kunden nicht zu einem Verkauf führen, wenn sich beispielsweise die Budgetstruktur des Kunden ändert oder der dem Verkäufer gegenüberstehende Einkäufer das interessierte Unternehmen verlässt.

Aus Perspektive des Vertriebs ist also der Vertriebsprozess, die Produktreife und die Risikobereitschaft entscheidend für die Wahl der Grundlage der variablen Vergütung.

Vergütung im Kontext der Produktstrategie 

Ein weiterer Faktor für die Entscheidung der Vertriebskompensation, insbesondere der Anreize, ist die Produktstrategie. 

Auf der Ebene des Produktes könnten beispielsweise Kundengruppen oder Geografien eine Rolle spielen. Nehmen wir an, dass wir unser Produkt -beispielweise eine Software für die Zeiterfassung- im öffentlichen Sektor platzieren wollen, weil wir bereits an einem weiteren Produkt arbeiten, dass an dieselbe Zielgruppe verkauft werden soll.

In diesem Fall wäre ein produkt-strategischer Impetus, Aktivitäten, Prozessfortschritte oder Umsätze aus diesem Sektor besonders zu belohnen. Jeder Umsatz-Euro von einem Kunden aus dem öffentlichen Sektor würde so zum Beispiel 1.5x in die Berechnung des Bonus’ einfließen. 

Vergütung im Kontext der Unternehmensstrategie 

Eine wesentliche Entscheidung auf dem Level der Unternehmensstrategie, die noch einmal über der Produktstrategie liegt, ist die Geschwindigkeit und Kosten von Wachstums. 

Bestimmte Gesellschafter, zum Beispiel Wagniskapital-Investoren, fordern extremes Wachstum. Wachstum des Umsatzes ist in der ersten Phase wesentlich wichtiger als Profitabilität - dadurch steigt das Potenzial für die Kompensation enorm. 

Langfristig orientierte Gesellschafter wägen Wachstum und Profitabilität regelmäßig etwas genauer ab - statt Wachstum um jeden Preis steht Profitabilität im Vordergrund, was sich auch auf die Anreizstruktur des Vertriebs auswirkt.

Zusammenfassung: die Grundlagen für das Design einer passenden, variablen Vergütungsstruktur

Eine nachhaltige und faire Vertriebskompensationen ist für Software-Unternehmen äußerst wichtig. In diesem Artikel hoffen wir ein Gedankenmodell für Unternehmer zu liefern, das erlaubt die Komponenten Vertriebsprozess und Bonus-Basis, Produktstrategie und Unternehmensstrategie integriert zu betrachten, um daraus ein konsequentes Vergütungsmodell abzuleiten.

Autor: Steffen Bünau